#moinVIELFALT

„Was passiert, wenn’s passiert ist?“

Beschwerdemanagement in der eigenen Schule

Ein schulinternes Beschwerdemanagement ermöglicht es, dass Diskriminierungen wahr- und ernstgenommen sowie bearbeitet werden. Die Schaffung entsprechender Anlaufstellen trägt somit zu einer diskriminierungssensibleren Schulkultur bei. Dazu bedarf es einer positiven Grundhaltung, in der Beschwerden als erwünschte, konstruktive Kritik verstanden werden. Wie gelingt es, Beschwerden als Ausgangspunkt für Lösungs- und Entwicklungsprozesse für eine diversitätssensible Schul- und Unterrichtskultur zu nutzen? Wie können wir entsprechende Beschwerdestrukturen aufbauen? Wie gestaltet sich eine Beschwerdekultur, in der sich alle Schulmitglieder sicher, gehört und wertgeschätzt fühlen?


Selda Akbayir ist Mitarbeiterin der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Dort unterstützt und berät sie zum Thema schulische Diskriminierungsfälle. In der digitalen Austauschreihe #moinVIELFALT bot sie den Teilnehmenden eine Einführung in das Thema des schulinternen Beschwerdemanagements. Im anschließenden Gespräch wurden entsprechende erste Schritte, mögliche Stolpersteine sowie Unterstützungsmöglichkeiten diskutiert.

„Mir macht es Mut, wenn Externe Prozesse gemeinsam mit uns planen und einen Blick auf das, was wir tun, werfen, um mit etwas Abstand zu sehen: ‘Was machen wir eigentlich schon, was steht noch an?’“

An diesen Erfahrungsbericht einer Teilnehmerin knüpfte Selda Akbayir in ihrem Impulsvortrag an und wies auf das umfassende Beratungsangebot der BIE hin. Gerade das Thema diskriminierungssensible Beschwerdeverfahren in der Schule bedarf einer umfassenden und ausdauernden Auseinandersetzung, bei der die Beratungsstelle unterstützend zur Seite steht. 

Insgesamt sind dabei ein zunehmendes Interesse an Diversität und Antidiskriminierung in der Schule sowie die Dringlichkeit und Bereitschaft zur Bearbeitung jener Themen zu verzeichnen. Die Referentin wies darauf hin, dass Fragen zu struktureller Diskriminierung in Institutionen und Alltagsabläufen jedoch nicht eindeutig geklärt sind: Im Diskurs um Diskriminierung in Deutschland lässt sich oft ein reduziertes Verständnis finden, das vor allem bewusste, unmittelbare Handlungen als Diskriminierung ausweist, institutionelle und unbeabsichtigte Diskriminierungsmechanismen sowie unbewusste Denk- und Handlungsmuster jedoch außen vorlässt. „Diskriminierungen erfolgen auch in Form von Handlungen, die aus Organisations- und Entscheidungsstrukturen heraus entstehen. Und diese wirken sich negativ auf die psychische und physische Gesundheit sowie die Lernerfolge der Schüler:innen aus“, so die Referentin. 

Beschwerden ernst nehmen

Auch deshalb ist es erforderlich, diskriminierungskritische Beschwerdeverfahren in den Schulen zu errichten. Im Zuge der ersten Schritte ist es laut Akbayir besonders wichtig, sicherzustellen, dass Beschwerden Gehör finden und „tatsächlich ankommen“. Dazu muss reflektiert werden, wie Beschwerdeverfahren beschaffen sind, die Betroffenen den Schritt zur Beschwerde zu erleichtern sowie Erfahrungen, die sonst nicht geteilt werden, zum Ausdruck zu bringen. Dies gelingt nur dann, wenn Schüler:innen genau wissen, wann, wie und bei wem sie sich beschweren können und transparente Informationen zum genauen Verfahren verfügbar sind. Außerdem kann der Einsatz von Fragebögen zu den Erfahrungen der Schüler:innen sinnvoll sein, um eine erste Bestandaufnahme der Situation vorzunehmen. Die Ergebnisse liefern zum einen Indizien zu den Diskriminierungsfällen, die in der eigenen Schule vorkommen, und können zum anderen Anregungen zu geeigneten Beschwerdestrukturen liefern. Dabei gilt es auch zu reflektieren, wie es gelingt, dass Gewalterfahrungen als solche ernst genommen und angemessen bearbeitet werden: „Es muss ein dahingehendes Bewusstsein geben, dass Diskriminierungen Gewalterfahrungen sind und diese auch im Beschwerdeprozess Gefühle wie Scham oder Ohnmacht auslösen.“ 

Schließlich erläuterte die Referentin Anregungen für erste Handlungsmöglichkeiten in der Beratung bei Diskriminierungsfällen. So gilt folgendes zu berücksichtigen: 

#1: Jede Meldung ernst nehmen

Beschwerden erforderun stets Mut sowie das Eingeständnis, dass die eigene Erfahrung als Diskriminierung zu werten ist. 

#2: Beratungen sollten im Gespräch mit einer Vertrauensperson stattfinden

Das können unterschiedliche Personen sein: Klassen- oder Beratungslehrkräfte, gewählte Personen oder Gremien. 

#3: Vertraulichkeit sollte immer gewahrt werden

Es kann sein, dass Schüler:innen ihre Erfahrungen erst einmal nur teilen möchten, die Entscheidung zu Handlungsbedarf oder Konsequenzen jedoch (noch) nicht fällt. 

#4: Der Sachverhalt sollte verschriftlicht werden

Auch wenn jedes Gespräch vertraulich ist, muss es dokumentiert werden, da den geschilderten Erfahrungen so Legitimationen verliehen wird sowie die Möglichkeit besteht, zurückzuschauen, zu rekonstruieren und zu reflektieren. 

#5: Betroffene müssen geschützt werden

Dies gilt ebenfalls für mögliche Zeug:innen der besprochenen Situation. 

Selda Akbayirs Impuls wurde aufgezeichnet und steht Ihnen nachfolgend zur Verfügung.

Materialempfehlungen


Über die Referentin:

Selda Akbayir ist Mitarbeiterin der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Dort ist sie das Themenfeld Beratung und Unterstützung bei schulischen Diskriminierungsfällen und den Schwerpunkt Fortbildung zuständig. Weiter Informationen sowie Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier: Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) 

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