Vom 21. bis 23. März fand die zweite digitale Lernreise statt. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Angebot von „Vielfalt entfalten" und dem DKJS-Programm „LiGa - Lernen im Ganztag". Schulleitungen und Lehrkräfte erhalten bei dem Format internationale Schuleinblicke, Impulse aus Wissenschaft und Unterstützungssystem und virtuelle Austauschmöglichkeiten. Im Fokus der zweiten Lernreise stand das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und eine diversitätsorientierte Personalentwicklung.
Wann handelt es sich laut dem AGG um eine Diskriminierung? Und wie lässt sich ein wirksamer Diskriminierungs-schutz und eine Kultur der Besprechbarkeit an Schule etablieren? Auf diese und weitere Fragen ging Andreas Foitzik, geschäftsführender Vorstand von Adis e. V. und Mitverfasser des Praxisbuchs „Diskriminierungskritische Schule“, in seinem Impulsvortrag ein. Es brauche einen unaufgeregten und konsequenten Umgang mit Diskriminierung, der beinhaltet, dass eine Beschwerde als eine Chance für ein pädagogisch wertvolles Gespräch gesehen wird – so ein Anliegen des Referenten. Diskriminierende Erfahrungen, die nicht ernstgenommen und ausgesprochen sondern relativiert oder bagatellisiert werden, so Foitzik weiter, führen zu erneuten Diskriminierungserfahrungen.
Laut dem AGG handelt es sich um eine Diskriminierung, wenn eine (strukturelle) Ungleichbehandlung vorliegt, es einen geschützten Merkmalsbezug gibt und keinen sachlichen Grund. Wenn also Menschen mit ungleichen Voraussetzungen, zum Beispiel einer körperlichen Beeinträchtigung, nach den gleichen Maßstäben behandelt werden wie Personen ohne Beeinträchtigungen. Oder aber, wenn Gleiches ungleich behandelt wird, etwa unterschiedliche Bezahlung für gleiche Arbeit. Wie der Referent betont, sind nicht die Motive für eine Diskriminierung entscheidend, sondern das Ergebnis – also die Wirkung einer Entscheidung.
Das AGG bezieht sich auf zentrale Persönlichkeitsmerkmale. Eine Übersicht aller Merkmale finden Sie hier: Diskriminierungsmerkmale. Wichtig zu wissen: Nicht nur zugeschriebene Merkmale zählen sondern auch vermeintliche – also zum Beispiel ein angenommener Migrationshintergrund. Bei konkreten Diskriminierungsfällen gilt der folgende Dreischritt, um diese zu prüfen und Beschäftigte zu schützen:
Damit alle an Schule beteiligten Personen Diskriminierungen benennen und besprechen können, braucht es gemeinsame Formate und tragfähige Beziehungen, so Foitzik. Eine Voraussetzung sei außerdem die Kompetenz, Feedback geben und annehmen zu können. Dazu gehört auch die Entwicklung einer diversitätssensiblen Haltung – dazu gehören Einstellungen, Werte, Kompetenzen und Verhaltensweisen. Auf kollektiver Ebene braucht es laut Referenten eine diversitätssensible Team- und Organisationskultur sowie entsprechende Strukturen und Prozesse.
So rät der Referent außerdem dazu, Diskriminierungen frühzeitig besprechbar zu machen und nicht erst bei schwer lösbaren Konflikten. Dafür empfiehlt Andreas Foitzik –
Wie der Referent abschließend betont, geht es vielen Betroffenen nicht um eine Bestrafung des Diskriminierenden. Stattdessen wollen diese mit ihren Erfahrungen wahrgenommen und ernstgenommen werden. Aus diesem Grund sei eine Enttabuisierung von enormer Bedeutung.
Den gesamten Impuls können Sie im nebenstehenden Video nachsehen.
Am zweiten Tag kamen die Teilnehmen ins gemeinsame Arbeiten zu konkreten Fragen und Themen aus ihrer Praxis. Andreas Foitzik stand den Teilnehmenden dabei beratend zur Seite. Es ging unter anderem um die folgenden Fragen: Wie lässt sich eine Besprechbarkeit im Kollegium erreichen und implementieren? Wann ist die Frage ‚Woher kommst du?‘ problematisch und wann nicht? Wie können und sollten Schulleitungen bei subtilem Rassismus reagieren?
Am dritten Tag leiteten Patricia Redzewsky und Amine Mohhamed von akoma coaching & consulting durch den Reisetag. Ihr Impulsvortrag widmete sich der diversitätsorientierten Personalentwicklung. Dabei ging es zunächst um die Bedeutung und Geschichte von Diversität sowie die Entwicklung von Diversitätskonzepten und Dimensionen. Dabei stellten die Referenten heraus: Diversität soll nicht bunter, sondern gerechter machen. Es beinhaltet –
Darüber widmeten sich die Referenten auch Diskriminierungserfahrungen im Kontext Schule. Sie ordneten bestimmte Begrifflichkeiten und Diskriminierungsformen noch einmal genauer ein und erörterten auch, worum es bei Mikroagressionen, dem imposter Syndrome und auch Tokenism geht und wie diese wirken. Bei Letzterem handelt es sich beispielsweise um symbolische Anstrengungen, um das Eigenbild nach Außen zu verschönern, während Machtverhältnisse jedoch bestehen bleiben.
Warum kommt es trotz gesetzlicher Vorgaben, moralischer Gründe und/oder wirtschaftlicher Überlegungen zu Diskriminierungen im Arbeitskontext? Dieser Frage widmeten sich die beiden Expert:innen im letzten Teil ihres Impulses. Demnach lassen sich fünf zum Teil überschneidende und nicht immer trennbare Erklärungen identifizieren, die insbesondere beim Einstellungsverfahren relevant sind:
Die älteste Erklärung dafür, warum manche Personengruppen unberechtigterweise Nachteile auf dem Arbeitsmarkt erfahren, ist Gary Beckers taste for discrimination. Bestimmte demografische Gruppen werden benachteiligt, weil Arbeitgeber:innen andere Personengruppen ‚lieber mögen‘ oder sie ihnen vertrautere Verhaltensweisen bevorzugen. So kann es auch unbewusst zu einer Benachteiligung bestimmter Gruppen kommen.
Bei dieser Diskriminierungsform liegt die Tatsache zugrunde, dass es aufgrund von körperlichen (oder anderen) Einschränkungen zu Produktivitätsunterschieden zwischen verschiedenen Gruppen kommen kann. Personalverantwortliche, die vorab aber nicht wissen können, wie produktiv ein:e (potenzielle:r) Mitarbeiter:in tatsächlich sein wird, entscheiden indes möglicherweise anhand sozio-demografischer Merkmale, ob jemand eingestellt, befördert oder entlassen wird – beziehungsweise wieviel Geld jemand verdient. Statistisch wird diese Form deshalb genannt, weil hier die angenommene durchschnittliche Produktivität einer bestimmten Gruppe als Entscheidungsgrundlage verwendet wird – unabhängig davon, wie produktiv die einzelne Person tatsächlich ist und welche Ausfallzeiten sie tatsächlich hat.
vgl: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/221588/ungleichheiten-und-diskriminierung-auf-dem-arbeitsmarkt/#:~:text=%22Statistisch%22%20wird%20diese%20Form%20der,Person%20tats%C3%A4chlich%20ist%20und%20welche
Bei dieser Diskriminierungsform liegen keine Mittelwerte über die Produktivität bestimmter demografischer Gruppen vor. Entscheidungen basierend auf dem Statusmerkmal: Mitglieder:innen einer Gruppe mit niedrigem sozialen Status werden als weniger kompetent anerkannt und müssen dies durch bessere Leistung kompensieren.