Vielfalt im Gespräch mit Sonja Saad:

Kultursensibel Elterngespräche führen

Diversitätsorientierte Kommunikation an Schulen

Am 10. Januar 2023 begrüßten wir Sonja Saad, Mediatorin, Coachin und systemische Beraterin, in unserem digitalen Talk-Format „Vielfalt im Gespräch“. Wir gingen mit der Expertin dabei der Frage nach, wie Elterngespräche kultursensibel geführt werden können – beginnend bei der Gesprächsvorbereitung und dem ersten Kontakt zwischen Pädagog:innen und Eltern, über Wissenswertes zu Kulturdimensionen und Fragemöglichkeiten bis hin zum Abschluss des Gesprächs. Im Austausch mit den Teilnehmenden gab die Referentin wertvolle Anregungen und Tipps, wie durch eine offene, fragende Haltung eine kultursensible und vertrauensvolle Elternkommunikation gestaltet werden kann und welche Rolle dabei das Hinterfragen der eigenen Annahmen und Bilder zum Gegenüber spielt.


Was ist Kultur?

Kultur stellt ein Konstrukt dar, welches nichts Abgeschlossenes beschreibt, sondern als ein komplexes, dynamisches System zu verstehen ist, das ständig im Fluss ist. Wir können unterschiedlichste Kulturen konstruieren, die nicht durch Ländergrenzen gekennzeichnet sind, so z. B. eine Jugendkultur, unterschiedliche Milieus innerhalb einer Stadt oder eines Landes oder auch eine Religionszugehörigkeit als kulturelle Unterscheidung. Es gibt keine einheitliche Definition von Kultur. Sonja Saad bezieht sich in ihrer Arbeit auf die Definition von Christa Uehlinger (2012, S. 19): „Kultur sind die erlernten und geteilten Werte, Glaubenssätze und Normen einer Gruppe von interagierenden Menschen, die sich in charakteristischen Verhaltensmustern äußern.“ 

Die im Vortrag vorgestellten Kulturdimensionen können dazu verleiten, das Verhalten von Menschen ausschließlich mit deren – vom Gegenüber hineininterpretierten – Kultur zu erklären und mit einer Wertung zu verbinden. Auf beide Gefahren weist Sonja Saad hin: Das Verhalten eines Menschen ausschließlich mit seiner Kultur zu erklären würde der anderen Person in ihrer Individualität jedoch in keiner Weise gerecht werden. Das gilt ebenso für die Bewertung von Kulturdimensionen.  

Die vorgestellten Dimensionen sind ein möglicher Erklärungsansatz dafür, dass Eltern und Lehrkräfte mit unterschiedlichen Annahmen, Erwartungen und Zielen in ein gemeinsames Gespräch gehen. Das Wissen über diese möglichen Unterschiede kann Pädagog:innen helfen, diese bewusst in die Gesprächsführung einzubeziehen und somit sicherer in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Elterngesprächen zu werden.  

Dabei gilt immer: Im Elterngespräch treffen Sie einen Menschen, nicht eine Kultur. Gleichzeitig kann das Wissen über Kulturdimensionen Ihre Ideen für Hypothesen bereichern, die Sie im Gespräch überprüfen, hinterfragen und ggf. wieder verwerfen können. Dies gilt gleichermaßen für Eltern Deutscher und Nicht-Deutscher Herkunft. Auf diese Weise können mehr Möglichkeiten zum Denken und Fühlen entstehen, die die zwischenmenschliche Begegnung bereichern.   

Der Impulsvortrag

Der Impuls von Sonja Saad am 10. Januar wurde aufgezeichnet. Sie können sich den Vortrag über das nebenstehende Video anschauen. 

Leitfaden: Elterngespräche kultursensibel führen

Im Folgenden finden Sie einen Leitfaden von Sonja Saad zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Elterngesprächen, der Ihnen nachfolgend auch als Downloadmaterial zur Verfügung steht. 

Der aufgezeichnete Impulsvortrag, den Sie weiter oben auf der Seite finden, orientiert sich an diesem Leitfaden. 

Schritt 1:

Vorbereitung

  • Notieren Sie Ihr eigenes Anliegen.
  • Bilden Sie erste Hypothesen und seien Sie bereit, diese auch loszulassen.
  • Reflektieren Sie Ihre eigene Haltung:
    • Wie reagiere ich auf „das Fremde“?
    • Bin ich neugierig und offen?
    • Nehme ich einen ressourcenorientierten Blick auf Kind und Eltern ein?
  • Optional: Bereiten Sie Bildkarten vor, um Sprachbarrieren zu überbrücken. 
  • Reflektieren Sie Ihr Wissen über Kulturdimensionen hinsichtlich –  
    • Machtdistanz
    • Kollektivismus und Individualismus
    • Polychrone und monochrone Kulturen
Schritt 2:

Kontaktaufnahme und Gesprächseröffnung

  • Direkte und indirekte Kommunikation – beides ist wichtig im Gespräch. 
  • Beachten Sie folgende Aspekte, wenn es um eine indirekte Kommunikation und einen hohen Kontext geht:
    • Nehmen Sie nicht alles wörtlich. 
    • Beziehen Sie die Körpersprache mit ein.
    • Beziehen Sie den Kontext mit ein und versuchen Sie auch zwischen den Zeilen zu lesen. 
    • Machen Sie sich bewusst: Abschweifungen gehören zum Thema dazu.
    • Vermeiden Sie Aussagen wie z. B. „Kommen Sie auf den Punkt“ – Aussagen wie diese sind unhöflich. 
    • Halten Sie das Schweigen aus. 
    • Höflichkeit, Sanftheit und Geduld werden belohnt. 
    • Verlangen Sie keine sofortigen Entscheidungen. 
    • Geben Sie Zeit für Absprachen mit der Familie.
Schritt 3:

Zielklärung

  • Wozu dient das Gespräch?
  • Wie kann ich hilfreich sein?
Schritt 4:

Analyse- und Interviewphase

  • Erzählen Sie, was gut läuft und was der:die Schüler:in gut kann.
  • Steuern Sie das Gespräch mit offenen Fragen.
  • Hören Sie aktiv zu und seien Sie präsent.
  • Berücksichtigen Sie kulturelle Unterschiede im Umgang mit Gefühlsausdrücken.
Schritt 5:

Lösungsphase

  • Legen Sie den Fokus auf das Wohl des Kindes.
  • Welche neuen Ideen ergeben sich aus dem Gespräch (offene Haltung)?
  • Berücksichtigen Sie fehlende Selbstwirksamkeit bei einem deterministischen Weltbild. 
  • „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ RUMI
Schritt 6:

Abschlussphase

  • Berücksichtigen Sie folgende Fragen: 
    • Was hätte jemand aus Ihrer Heimat zum Schluss des Gesprächs noch geraten?
    • Mit wem muss eine mögliche Vereinbarung zunächst besprochen werden?
  • Setzen Sie ein klares und respektvolles Ende.
Schritt 7:

Auswertung

  • Schreiben Sie eine Notiz.
  • Reflektieren Sie Ihre eigenen Gefühle, Assoziationen und Hypothesen:
    • Wie habe ich mich im Gespräch gefühlt?
    • War ich offen?
    • Wann kippte meine Stimmung eventuell?
    • Welches Bedürfnis von mir wurde in dem Moment nicht beachtet?
    • Welcher Wert von mir wurde eventuell in Frage gestellt?
    • Was habe ich aufgrund welcher Aussage interpretiert und bewertet?
    • Wo hätte ich genauer nachfragen sollen?
    • Was hätte ich gebraucht?
    • Wie ging es den Eltern? Sind sie wohl zufrieden mit dem Gespräch?
    • Was hätten die Eltern noch gebraucht?

Literaturempfehlungen

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