Reflexion und Perspektivwechsel

Fortbildungstag für Schulaufsichten in Schleswig-Holstein

Die Rolle von Schulaufsichten in diversitätssensiblen Schulentwicklungsprozessen

“Jede*r fühlt sich willkommen“ lautet der erste Indikator im Index für Inklusion. So simpel dieser auf den ersten Blick erscheinen mag, so gehaltvoll kann eine intensive Auseinandersetzung damit sein: Werden alle an Schule Beteiligten freundlich willkommen geheißen, also alle pädagogischen Fach- und Lehrkräfte, Schüler:innen, Sorgeberechtigte und weitere Beschäftigte? Was versteckt sich hinter dem Wort „willkommen“? Gibt es einen wertschätzenden Umgang untereinander, sind Zugänge gegeben und wird echte Partizipation gelebt? Diesen und weiteren Fragen widmeten sich die teilnehmenden Schulaufsichten aus Schleswig-Holstein im Rahmen eine Fortbildungstag am 16. Mai in Rendsburg.


Im Zentrum des Handelns von Schulaufsicht in Schleswig-Holstein steht die tragfähige Bildung und Erziehung aller Schüler:innen unter Beachtung der bestmöglichen Qualität von Unterricht verbunden mit der Berücksichtigung von Chancengerechtigkeit. Die untere Schulaufsicht unterstützt und berät dabei Schulleitungen beim Prozess der Qualitätsentwicklung. Im Rahmen des Fortbildungstags für Schulaufsichten des Landes Schleswig-Holstein wurde Diversitätssensibilität/ Inklusion als unabdingbarer Bestandteil von Schulqualität in den Blick genommen (Inklusion wird hier als umfassender Begriff verstanden, der sich auf sämtliche Dimensionen von Diversität bezieht).

Barrieren abbauen und Ressourcen mobilisieren

Im Fokus stand die Verknüpfung des schleswig-holsteinischen Orientierungsrahmens Schulqualität mit dem Index für Inklusion. Dr.in Elisabeth Plate, Mit-Herausgeberin der deutschsprachigen Ausgabe des Index, moderierte die Veranstaltung. Sie stellte in ihrem Impulsvortrag die synergetische Verbindung zwischen beiden Instrumenten her und betonte, dass Inklusion/ diversitätssensible Schulentwicklung ein systemischer Prozess ist: Schule und Unterricht müssen sich den Personen anpassen nicht umgekehrt. Das bedeutet Barrieren für Partizipation und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten abzubauen und Ressourcen zu mobilisieren.

Zunächst setzten sich die Schulaufsichten mit eigenen Diversitätserfahrungen in ihrem (Arbeits-)alltag auseinander: An welchen Stellen werden sie selbst auf- oder abgewertet, durch welche Zugehörigkeiten profitieren sie? Welche Diskriminierungen beobachten sie in ihrem Arbeitsalltag und wie drückt sich Partizipation dort aus? In Kleingruppen wurden Erfahrungen und Beobachtungen ausgetauscht und lebhaft über Begrifflichkeiten diskutiert.

Eine (neue) diversitätssensible Perspektive

Im gemeinsamen Austausch wurde deutlich, wie stark die Thematik einerseits alle Bereiche von Schule durchdringt und wie wichtig es dabei ist, eine bewusste Reflexion und Auseinandersetzung anzustoßen. Die Tatsache “Die Gesellschaft ist divers” trifft auf etablierte Strukturen in Schule, wo ein starkes Spannungsfeld zwischen Individualität und gesetzten Standards wahrgenommen wird. Eine Herangehensweise zum Umgang mit diesen Spannungen ist es, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und bewusst eine diversitätssensible “Brille” aufzusetzen. In mehreren Gruppen setzten sich die Schulaufsichten mit einzelnen Merkmalen des Orientierungsrahmens auseinander und zogen als "Brille” den Index für Inklusion für eine inklusive Reflexion hinzu: 

Ein Merkmal aus dem Orientierungsrahmen lautet beispielsweise: „Die Schule stellt sicher, dass Schülerinnen und Schüler die in Bildungsstandards, Fachanforderungen und Curricula beschriebenen fachlichen Kompetenzen erreichen können.“ (Orientierungsrahmen, Dimension I, Bereich 1, Merkmal 1) 

Mit einer diversitätssensiblen Brille kann gefragt werden:  

  • Wer ist mit “die Schule” gemeint?  
  • Sind alle Schüler:innen gemeint, also auch diejenigen mit diversen und non-binären Geschlechtsidentitäten?  
  • Was ist mit der Weiterentwicklung individueller Kompetenzen und Fähigkeiten?  

Und ein Blick in die Fragen zum parallelen Indikator im Index für Inklusion (“Die Lernaktivitäten werden mit Blick auf die Vielfalt aller Schüler:innen geplant.” S. 186) wirft zudem die Frage auf: Was ist mit der Unterstützung von Lernen und Kompetenzentwicklung als kontinuierlicher Prozess? 

Eine diversitätssensiblere/inklusivere Formulierung des Merkmals könnte demnach lauten: „Die Mitglieder der Schulgemeinschaft stellen sicher, dass alle Schüler:innen die in Bildungsstandards, Fachanforderungen und Curricula beschriebenen fachlichen Kompetenzen erreichen und zusammen mit ihren individuellen Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln.“ 

Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt mit einer neuen (diversitätssensiblen) Perspektive auf etablierte Instrumente zu schauen. Vordergründiges Ziel ist dabei nicht, neue Formulierungen zu finden, sondern in den Austausch zu gehen – Routinen und Abläufe zu hinterfragen, eigene Sichtweisen zu reflektieren und einen Perspektivwechsel vorzunehmen. 

Diversität als Querschnittsthema

Den Schulaufsichten kommt in dem Prozess der diversitätssensiblen schulischen Qualitätsentwicklung eine besondere Rolle zu. Sie haben die Möglichkeit Diversität als Querschnittsthema bewusst für eine Vielzahl von Schulen auf die Agenda zu setzen und somit eine Breitenwirkung zu erzielen. So komplex die Thematik sein mag, so wichtig ist es, anzufangen und Schritt für Schritt voranzugehen: Während eine Schulaufsicht aus der Fortbildung beispielsweise den Austausch über diversitätssensible Schulentwicklung direkt am nächsten Tag auf die Agenda einer Schulleitungsdienstversammlung setzt, möchte eine andere Schulaufsicht regelmäßig über Fragen aus dem Index für Inklusion in Konferenzen in den Austausch gehen, indes eine weitere Schulaufsicht auf einer anstehenden Grundschultagung bewusst hinschauen möchte, wo und wie das Thema Diversität auftaucht und welche Rolle es spielt. Und auch weitere Fortbildungen für Schulaufsichten und Referent:innen des Bildungsministeriums sind bereits in Planung.


Quellen und Links: 

Achermann, Bruno et al. (Hrsg.): Index für Inklusion: Ein Leitfaden für Schulentwicklung. Beltz 2017 

Orientierungsrahmen Schulqualität Schleswig-Holstein: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/Themen/BildungHochschulen/Schulqualitaet/Service/Publikationen/publikationen_node.html  

Schulaufsichten in Schleswig-Holstein: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/S/schulverwaltung/schulaufsicht.html  

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