Handlungsempfehlungen für einen diskriminierungskritischen Umgang mit Lehrmaterialien

Wie lassen sich diskriminierende Inhalte in Lehrmaterialien erkennen? Was für Handlungsoptionen und Praxistipps gibt es zum Umgang mit solchen Materialien? Und welche Möglichkeiten bieten der Austausch mit Kolleg:innen und Schüler:innen? Diesen und weiteren Fragen widmen wir uns in diesem Artikel und veranschaulichen, warum ein kritisch-reflexiver Blick auf Lehrmaterialien in Schule ein wichtiger Teil der Bildungsarbeit ist.


Pädagogische Materialien beeinflussen den Blickwinkel des Lernens und vermitteln den Schüler:innen ein Bild unserer Gesellschaft. Dabei wird explizit und oft auch implizit aufgezeigt, wer der Gesellschaft angehört und wer nicht. Diskriminierende Inhalte und Abbildungen sowie fehlende Repräsentationen verfestigen sich unterbewusst bei Lernenden und prägen damit ein oftmals falsches Gesamtbild. Aus diesem Grund ist es wichtig, Lehrmaterialien diskriminierungskritisch zu untersuchen. Denn auch wenn viele Materialien bereits überarbeitet wurden, finden sich Diskriminierungen oft auch in impliziten Aussagen von Texten oder Aufgaben.

Sensibilisierung

Um diskriminierende Inhalte zu erkennen, braucht es einen geschulten und diskriminierungskritischen Blick. Hierfür empfehlen sich Fortbildungen, in denen Grundlagen zu den verschiedenen Diversitätskategorien und Dimensionen von Diskriminierung vermittelt werden. Gleichzeitig sollte die eigene Rolle und die damit verbundenen Privilegien hinterfragt und sich in Betroffene hineinversetzt werden.

In Bezug auf Lehrmaterialien ist vor allem eine Sensibilisierung für Stereotype (z. B. in Form von Darstellungen oder Zuschreibungen von Eigenschaften einer Gruppe oder Person), veraltete Begrifflichkeiten, fehlende Perspektiven und Identifikationsfiguren von marginalisierten Gruppen wichtig. Auch zu hinterfragen ist die Sichtweise, aus der ein Text geschrieben oder eine Geschichte erzählt wird.  

Neben der individuellen Sensibilisierung empfiehlt sich auch der Austausch mit weiteren Kolleg:innen und die Organisation in Fachschaften. Dabei sollten diskriminierungskritische Leitfragen entwickelt werden, mit denen sich Lehrmaterialien prüfen lassen. Folgende Reflexionsfragen können beispielsweise helfen1:

  • Welche Dimensionen von Diversität werden in den Materialien dargestellt? Gibt es Dimensionen, die fehlen? Werden intersektionale Aspekte mitgedacht? 
  • Werden Normdarstellungen kritisch hinterfragt? 
  • Ermutigen die Materialien das eigene Handeln kritisch zu reflektieren? Werden eigene Privilegien thematisiert? 
  • Welche Sprache wird verwendet? 
  • Werden stereotype Darstellungen, Klischees und Vorurteile vermieden? 
  • Werden Selbstbezeichnungen von marginalisierten Gruppen verwendet? 
  • Werden in den Materialien Schwarze Menschen oder People of Color dargestellt? Findet die Darstellung in der gleichen Art und Weise statt, wie bei Weißen Personen? 
  • Sind Personen diskriminierter Gruppen in den Materialien Rollenvorbilder:innen? Kommen Sie selber zu Wort oder wird nur über sie gesprochen? 

Handlungsoptionen 

Katalogisierung von Lehrmaterialien  

Ist die Überprüfung anhand festgelegter Kriterien und Leitfragen erfolgt, sollten weitere Handlungsschritte erfolgen – denn ein kompletter Austausch von Materialien ist nicht immer eine Option. Es bietet sich jedoch an, vorhandene Materialien zu katalogisieren. Dabei wird festgehalten, welche Materialien dringend aussortiert, welche eingeschränkt und welche ohne Bedenken verwendet werden können. Von dieser Katalogisierung profitiert das gesamte Kollegium.  

Nutzung verschiedener Materialien und Medien 

Darüber hinaus sollte anerkannt werden, dass sich gesellschaftliche Vielfalt meist nicht nur in einem einzelnen Medium oder Arbeitsblatt abbilden lässt. Stattdessen sollten verschiedene Materialien und Medien genutzt werden, die unterschiedliche Blickwinkel, Standpunkte und Erfahrungen ermöglichen und beinhalten. Auch digitale Bildungsmaterialien stellen mit ihrer Aktualität eine große Chance dar und können Angebote schaffen, um verschiedene Perspektiven abzubilden.  

Kritische Inhalte und Materialien ansprechen 

Kritische Materialien und Inhalte sollten mit Schüler:innen besprochen werden, um auch deren Perspektiven einzubeziehen. Gerade für marginalisierte Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass diskriminierende Inhalte, wie Texte und Abbildungen, angesprochen und nicht kommentarlos stehen gelassen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Diskriminierungserfahrung verstärkt und sich bei nicht-betroffenen Schüler:innen verfestigt. Solche Unterrichtseinheiten sollten gut vorbereitet werden. 

Austausch im Kollegium 

Generell lohnt sich auch der Austausch im Kollegium, indem beispielsweise Unterrichtseinheiten gemeinsam vorbereitet und erprobt werden, um gut auf Rückfragen zu reagieren. Um betroffene Schüler:innen zu unterstützen und zu empowern, lohnt es sich auch, auf institutionelle Strukturen in Schule zu schauen und ggf. eine Ansprechperson für Betroffene zu benennen (z. B. Schulsozialarbeit).  

Literaturempfehlungen zu dem Thema:


1 Auszug aus: Knop, Julian / Plate, Elisabeth (2022): Für einen machtkritischen Umgang mit Vielfaltsaspekten in pädagogischen Materialien. Workshop, 23.02.22, Schleswig-Holstein

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