Rassismuskritische Bildungsarbeit

Handlungsempfehlungen für die schulische Praxis

Bildung ist nicht neutral. Genauso wenig wie Schulen einen rassismusfreien Raum darstellen. Durch Strukturen, Vorschriften und Routinen werden oftmals Ungleichheitsverhältnisse aufrechterhalten oder reproduziert. Gleiches gilt für vermitteltes Wissen. Aus diesem Grund ist die Auseinandersetzung mit Rassismus und die Förderung einer diversitätssensiblen Pädagogik ein wichtiger Teil der Bildungsarbeit.


Rassismus und rassistische Diskriminierung

Rassismus ist eine Ideologie, die auf der jahrhundertealten „Rassenlehre“ aufbaut. Sie entstand im Zuge der Aufklärung und europäischen Kolonialisierung, um Herrschaft, vor allem ökonomische und kulturelle Dominanz Weißer Menschen, zu legitimieren.1 Rassismus ist keine persönliche oder politische Einstellung, sondern ein menschengemachtes gesellschaftliches Strukturierungssystem, um die Besserstellung und Interessen von Weißen Menschen zu sichern. Auch wenn Rassismus heutzutage sehr viel versteckter wirkt, ist er weiterhin weltweit strukturell in Kulturen und Gesellschaften verankert, weshalb es bedeutsam ist, von strukturellem Rassismus zu sprechen. Ebenso wie andere Formen der Diskriminierung erfolgt auch rassistische Diskriminierung über die Prozesskette Kategorisierung, Abwertung und Ausgrenzung. Diskriminierung ist rassistisch, wenn sich das diskriminierende Verhalten auf „kulturelle Merkmale (Religion, Nationalität, Ethnie) und/oder biologische Merkmale (Hautfarbe, Haarstruktur, Augenform) bezieht oder zurückführen lässt. 

Rassismuskritik im Kontext Schule

Eine rassismuskritische Perspektive erkennt an, dass keine Institution und kein Raum rassismusfrei ist, da jede Person, die in Deutschland sozialisiert wurde, rassismusrelevantes Wissen besitzt und dieses reproduziert.2 Das Ziel von Rassismuskritik in Schule besteht darin, einen Lernraum zu gestalten, in dem rassistische Wissensbestände, Kategorisierungen sowie Ein- und Ausschlüsse von Personen erkannt, benannt und systematisch bearbeitet werden. Gelingen kann das, indem ein offener Austausch über Benachteiligung und Diskriminierung in der eigenen Schule gefördert wird. 

Die folgenden Schritte legen den Grundstein für eine rassismuskritische Bildungsarbeit:

  • Rassismus aktiv wahrnehmen und thematisieren

Rassismus wirkt sichtbar und unsichtbar. Ob in Lehrmaterialien, Tafelbildern, Liedern oder zwischenmenschlichen Beziehungen: Es ist wichtig, Rassismus zu thematisieren und es zur Normalität werden zu lassen, dass über ihn gesprochen wird. 

  • Eigenes rassistisches Handeln anerkennen

Gegen Rassismus zu sein, bedeutet nicht, dass man selbst nicht auch ungewollt Rassismus reproduziert. Denn trotz gut gemeinter Intention können Handlungen rassistisch wirken und dadurch Ausschlüsse und Verletzungen hervorrufen. Dies nicht anzuerkennen hat den Effekt, dass bestehende Ungleichstrukturen als solche geleugnet und dadurch aufrechterhalten oder sogar gefördert werden. Die Rückmeldung zu bekommen, dass man sich als Weiße Person rassistisch verhalten hat, kann mitunter schmerzhaft sein und Scham hervorrufen. Jedoch sind solche Rückmeldungen wichtige Anlässe, Rassismus besprechbar zu machen, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verändern. Rassismussensibles und -kritisches Handeln stellt kein Ergebnis einer Fortbildung dar, sondern einen kontinuierlichen Lernprozess.

  • Thematisierung von rassistischer Diskriminierung zulassen und betroffene Schüler:innen stärken

Essenziell ist auch, ein Problembewusstsein zu entwickeln und der Thematisierung von Rassismuserfahrungen, die Schwarze Schüler:innen und Schüler:innen of Color gemacht haben, Raum zu geben. Oftmals kostet es Schüler:innen große Überwindung und Stärke, rassistische Diskriminierung anzusprechen. Daher müssen Betroffene unterstützt werden, ihre Erfahrungen anzusprechen, einen Umgang damit zu finden und ihre eigenen Interessen zu vertreten. Werden Diskriminierungen nicht thematisiert und damit Kinder und Jugendliche mit ihren Erfahrungen allein gelassen, kann dies zu physischen und/oder psychischen Schäden, Passivität, Resignation, Rückzug und/oder Rebellion bis hin zu abweichendem Verhalten und Radikalisierung führen.3 Daher ist es wichtig, von Diskriminierung Betroffenen empathisch, vertrauensvoll und wertschätzend zu begegnen und einen konstruktiven Weg zu finden, um die Situation für den_die Schüler:in zu verbessern.    

  • Die eigene Sozialisation in einer rassistischen Gesellschaft reflektieren

Um sich der eigenen Sozialisation bewusst zu werden, fordert Karim Fereidooni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum, dazu auf, sich der folgenden drei Fragen anzunehmen:  

  • Was hat Rassismus mir beigebracht? / Was hat Rassismus mit mir zu tun?
  • Was passiert in meinem Klassenzimmer und in der Schule Rassismusrelevantes und wie kann ich dagegen vorgehen?
  • Wie werden rassistische Wissensbestände / Bilder durch meine Unterrichtsmaterialien reproduziert und wie erkenne und vermeide ich die Nutzung dieser Materialien?

Weiterführende Informationen zu dem Thema gibt es sowohl im Themendossier "Rassismus in Grundschulen" als auch im Fachimpuls von Karim Fereidooni


1 El-Mafaalani, Aladin. Wozu Rassismus? Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2. Auflage 2021, S. 15

2 Fereidooni, Karim. Rassismuskritik für Lehrer*innen und Peers im Bildungsbereich, Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa (Hrsg.)., Berlin, 2019, S. 2
https://schwarzkopf-stiftung.de/bildung-und-reisen/materialien/rassismuskritik-fuer-lehrerinnen-und-peers-im-bildungsbereich/, zuletzt aufgerufen am 22.03.2022

3 El-Mafaalani, Aladin. Wozu Rassismus? Von der Erfindung der Menschenrassen bis zum rassismuskritischen Widerstand, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2. Auflage 2021, S. 110

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