Auf dem Weg zu einer diversitätsbewussten BS30:

Pädagogische Jahreskonferenz zu Vielfalt und sozialer Gerechtigkeit

Mit dem Themenschwerpunkt zur sozialen Gerechtigkeit knüpfte das BS30 - Fröbelseminar - im Rahmen ihrer Pädagogischen Jahreskonferenz am 12. Mai 2022 in Hamburg an die langjährige Vorarbeit zum Thema diversitätssensible und vorurteilsbewusste Pädagogik an ihrer Schule an. Die Impulse und Arbeitsphasen brachten über 90 Kolleg:innen in einen intensiven kollegialen Austausch, regten die Reflexion über eigene Denk- und Handlungsmuster an und förderten Ideen für die weitere gemeinsame Arbeit an einer diversitätsbewussten und diskriminierungskritischen Schulentwicklung.


Dr.'in Rita Panesar während des Plenumsgesprächs © Matthias Graz
© Matthias Graz
Dr.'in Rita Panesar während des Plenumsgesprächs © Matthias Graz

Unterstützt von ihrer Prozessbegleiterin Latifa Kühn plante und setzte die Diversity-Arbeitsgruppe der staatlichen Fachschule für Sozialpädagogik im Rahmen des Projektes „Vielfalt entfalten – Gemeinsam für starke Schulen“ eine ganztägige Veranstaltung für das gesamte Kollegium ihrer Schule um. Im Laufe des Vormittags bot Dr.‘in Rita Panesar, Referentin der Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V., in ihrem Beitrag zu „Die gerechte Schule“ inhaltliche Anknüpfpunkte in den drei Bereichen diversitätsbewusster Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung. Im Fokus des Beitrags stand die Herstellung von Gerechtigkeit durch eine erfahrungsorientierte Auseinandersetzung mit Macht und Diskriminierung sowie die Entwicklung angemessener Handlungsstrategien im eigenen Arbeitsfeld. Sie eröffnete den Raum für den kollegialen Austausch zu eigenen Erfahrungen und Ansätzen. Außerdem erörterte sie gemeinsam mit den Teilnehmenden Ideen für eine gemeinsame Schulentwicklung.- Erste Anregungen und Bedingungen gingen aus dem Plenumsgespräch hervor:

Austausch und Zusammenhalt im Kollegium fördern

Für eine gelingende, kontinuierliche und systematische Organisationsentwicklung vor Ort muss systematisch Zeit eingeräumt werden. Der Austausch und die engere Zusammenarbeit im Kollegium fördern die eigene Sensibilisierung für diversitätsbewusste Ansätze und ermöglichen Barrieren, die durch Routinen entstehen, aufzubrechen. Gerechtigkeit wird durch die Bewertungspraxis in der Schule erschwert. Hier gilt es zu prüfen, wo Vergleiche vermieden oder Bewertungen durch Lehrkräfte von Selbsteinschätzungen der Schüler:innen abgelöst werden können. Kooperative Lernangebote in das eigene didaktische Portfolio zu übernehmen und im Austausch mit den Kolleg:innen zu evaluieren, stärkt beruflich relevante Kompetenzen der Schüler:innen und zahlt auf unterschiedliche Lerntypen ein. Modelle zur Stärkung der Schüler:innen in unterschiedlichen Lebenslagen bedürfen eine enge Zusammenarbeit im Kollegium, den Austausch mit Schüler:innen und den Einbezug von externen Expert:innen.

Schüler:innen in ihrer Rolle als Multiplikator:innen stärken

Als staatliche Fachschule für Sozialpädagogik bildet das Fröbelseminar Erzieher:innen, Heilerzieher:innen und sozialpädagogische Assistent:innen aus. Die Schüler:innen sind hinsichtlich verschiedener Vielfaltsaspekte – vor allem mit Blick auf die kulturelle und soziale Herkunft – sehr heterogen und werden im Rahmen ihrer Ausbildung für die Arbeit mit Menschen unterschiedlicher Lebenslagen vorbereitet. Das Kollegium des Fröbelseminars zeichnet sich durch vielseitige Qualifikationen aus. Viele haben vor ihrem Studium in einem Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet und verfügen daher über einschlägige Berufserfahrungen und einen engen Praxisbezug. Das Qualitätsleitbild der Schule umfasst u. a., dass alle Schüler:innen im Sinne von Diversität von- und miteinander lernen. Durch die Begleitung von qualifizierten Lehrkräften werden sie in ihrer Rolle als Multiplikator:innen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen darin gestärkt, diversitätsbewusstes Wissen zu teilen, Fähigkeiten und Fertigkeiten für Menschen verfügbar zu machen und adressatengerecht aufzubereiten sowie Schieflagen zu identifizieren und angemessene Handlungsansätze gemeinsam zu entwickeln und zu erproben.

Die Kolleg:innen im Austausch © Matthias Graz
© Matthias Graz
Die Kolleg:innen im Austausch © Matthias Graz

Workshops für eine diversitätsbewusste BS30

In 8 zweieinhalbstündigen Workshops zu unterschiedlichen Schwerpunktthemen identifizierten die Teilnehmenden zeitgleich inhaltliche Schwerpunkte und Handlungsbedarfe für ihre Arbeit an der BS30. Sie erörterten gemeinsam mit der Workshopleitung auf welcher Ebene das jeweilige Thema in ihrer Schule aufgegriffen werden muss und arbeiteten erste konkrete Handlungsschritte. Neben einführenden Workshops, die sich mit konkreten Diskriminierungsformen beschäftigten oder bildungsbiografische Zugänge zum Thema schafften, wie der Workshop „Armut und Bildung – auf dem Weg zu einer antiklassistischen Haltung an der BS30“ mit Elisa Heuser, fanden auch beratende und supervisorische Angebote statt.  Während sich Latifa Kühn dem Thema „Umgang mit Diversität in schwierigen Situationen – Haltungs- und Handlungsdilemmata auflösen und konstruktiv umbewerten“ annahm, bot Dr.‘in Claudia Lemke einen Workshop zum Thema „Ich bin etwas anderes – Rassismuskritische Bildungsarbeit“ mit psychoanalytischer Ausrichtung. In einem weiteren Workshop gingen die Teilnehmenden der Frage nach, welche Unterstützungsmöglichkeiten und Begleitstrukturen es für Schüler:innen gibt, die psychisch besonders gefährdet sind:

„Wir haben festgestellt, dass die psychische Belastung bei den jungen Menschen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Das sehen wir am erhöhten Anfrageaufkommen. Und gerade in Ausbildungsberufen, wo sich junge Menschen für psychosoziale Berufe entscheiden, nochmal im besonderen Maße. Aus diesem Grund halten wir es für wichtig und relevant, dass auch die Lehrkräfte, die regelmäßig mit diesem Klientel zu tun haben, ihre eigene Rolle reflektieren mit Blick auf […] Angebote, Hilfemöglichkeiten, […] aber auch Grenzen des eigenen pädagogischen Handeln.“

Malte Stüben
Beratungszentrum Berufliche Schulen

Auch zum Thema „Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – queere Aufklärung an der BS30“ mit Jerry Liara Mutlu lernten die Lehrkräfte des Fröbelseminars Möglichkeiten zur Begleitung und Unterstützung von Jugendlichen kennen. Bausteine für ein diskriminierungskritisches Schul- und Lernklima wurden vorgestellt.

Im Nachgang der Veranstaltung knüpft die Diversity-Arbeitsgruppe an den erarbeiteten Themen und Anregungen an, sortiert Bedarfe und arbeitet den zuständigen Gremien der BS30 zu, diese Entwicklungen zu realisieren. Unter anderem ist für Herbst eine Themenwoche mit dem Titel Vielfalt geplant, die für und in Zusammenarbeit mit den Schüler:innen entsteht.

 


Literatur:

Dr.'in Rita Panesar (2022): Gerechte Schule – Vorurteilsbewusste Schulentwicklung mit dem Anti-Bias-Ansatz

Damit Schüler:innen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten und -verhältnissen gerechte Chancen auf Bildungserfolg haben, muss das Gesamtsystem Schule auf den Umgang mit Differenz ausgerichtet werden. Mithilfe des Anti-Bias-Ansatzes kann eine diskriminierungskritische Schulentwicklung gelingen.

Das Buch bietet diskriminierungsspezifische Reflexions- und Handlungsimpulse, die die Schule als Gesamtsystem in den Blick nehmen. Auf Grundlage eines umfangreichen Erfahrungsschatzes und aktueller Forschungsergebnisse werden Strategien auf Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklungsebene beschrieben. Diese Strategien ermöglichen durch gemeinsames Nachdenken und Handeln, ausgrenzendes Verhalten zu erkennen und Bildungsbarrieren abzubauen. Konkrete Hilfestellungen zum Umgang mit institutionellem Widerstand, Methoden des Veränderungsmanagements und der Anti-Bias-Arbeit machen das Buch zu einem Leitfaden für das praktische Handeln im schulischen Alltag.

Dr.'in Rita Panesar ist gestaltorientierte und systemische Organisationsberaterin mit den Schwerpunkten Diversität, Bildung und Arbeitsmarkt. Die Historikerin und Religionswissenschaftlerin unterstützt Schulen, Unternehmen, Kultureinrichtungen und soziale Projekte im Abbau von Barrieren. Bei der Hamburger Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung leitet sie gemeinsam mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung eine zweijährige berufsbegleitende Qualifizierung für Diversitätsbewusste Schulentwicklung. Rita Panesars Fortbildungen und Beratungen sind vom Anti-Bias-Ansatz für vorurteilsbewusste Bildung geprägt. Ihre Weiterbildung als Gestalttherapeutin ermöglicht ihr Veränderungsprozesse mit einer Mischung aus analytischem Blick und warmem Humor zu begleiten.

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